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Märchen - echtes Slow Food


Bei Literatur und Filmen sprechen wir oft von "leichter" oder "schwerer" Kost, zum Beispiel bei einer wenig anspruchsvollen, aber unterhaltsamen Komödie oder einem vor Stilmitteln und Subtext strotzendem Kunstdrama.

 

Märchen begegnen uns in beiden Gewändern: Als verzuckerte Disney-Inszenierung und glitzer-pastellige Illustration in Märchenbüchern auf der einen Seite (die einem aber auch ganz schön auf den Magen schlagen können), und mit tiefgehendem Symbolgehalt, der sich erst bei genauerem Hinsehen erschließt, auf der anderen Seite.

 

Volksmärchen sind kein Fast Food, sondern uralte Geschichten, die ein Wissen transportieren, zu dem wir heute nicht mehr ohne Weiteres Zugang finden. Manche Figuren müssen wir uns entschlüsseln, recherchieren, kennenlernen, wie beispielsweise die prominente Frau Holle, deren Gestalt manche Forscher auf eine germanische Göttin zurückführen. Frau Holle ist keine nette alte Großmutter, sondern eine Frau mit großen Zähnen und eine Herrin über Leben und Tod.

 

Nehmen wir uns ein Märchen, so können wir anfangen, über die Figuren und ihre Lebensumstände nachzudenken: Welche Bilder sprechen uns gerade am stärksten an?

Welche Symbole können wir in der Geschichte finden? Bleiben wir beim Beispiel Frau Holle, gibt es da den Brunnen - Brunnen stehen in der Regel für eine Verbindung zwischen Ober- und Unterwelt. Aber was bedeutet Unterwelt? Totenreich? Unbewusstes? Auf jeden Fall eine andere, eine Anderswelt.

Und die am Ende häufig unvermeidliche Hochzeit - das ist eine Hoch-Zeit: Märchen sind immer Entwicklungsgeschichten, die Hauptfigur hat eine schwierige Lebensphase bewältigt, ist nun Herrscher*in über sein oder ihr Leben. Hier bekommen wir Beispiele präsentiert, Vorbilder, Erfolgsgeschichten, einen Ansporn, dran zu bleiben und nicht aufzugeben: Hilfe ist schon unterwegs, und das gute Ende naht. Daher sind Märchen Nahrung für unsere Seele.

 

Manchmal fällt mir beim x-ten Lesen, Hören oder Erzählen eines Märchens etwas auf, das ich zuvor so nicht wahrgenommen habe. Auf einmal erscheint mir ein Umstand in einem ganz besonderen Licht, so dass ich noch einen anderen Zugang, ein anderes Verständnis für das Märchen bekomme.

Es lohnt sich also, einer Geschichte Zeit und Raum zu geben, den Symbolen und Handelnden nachzuspüren und nachzuforschen. Viel Freude dabei!

 

Kontakt:     mail (et) maerena.de

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